Prädiktoren eines erhöhten Sturzrisikos
Geplantes Forschungsprojekt an Geriatrischer Tagesklinik zur Identifizierung von Prädiktoren eines erhöhten Sturzrisikos bei älteren, multimorbiden Diabetespatienten
Projektleiterin: Prof. Dr. med. Katrin Singler, MME, Klinik für Innere Medizin 2, Schwerpunkt Geriatrie, Nürnberg
Ältere Patienten vor Stürzen bewahren
Die Erkrankung Diabetes mellitus hat bei älteren Menschen weitreichende Folgen auf multiple Organsysteme und scheint zudem den Alterungsprozess zu beschleunigen. Der Diabetes ist assoziiert mit geriatrischen Syndromen wie Frailty, Sarkopenie sowie dem Sturzsyndrom. Zusätzlich besteht ein negativer Effekt auf den Knochenstoffwechsel, woraus eine verminderte Knochendichte und damit ein erhöhtes Frakturrisiko resultiert. Der Sturzprävention kommt daher bei älteren Menschen mit Diabetes eine besonders hohe Bedeutung zu.
Individuelle Faktoren identifizieren
In einem ersten Schritt sollen Risikofaktoren für Stürze von multimorbiden älteren Diabetespatienten, die in einem häuslichen Umfeld leben, herausgearbeitet und hinsichtlich ihrer prädiktiven Aussagekraft bewertet werden. Auf dieser Grundlage soll ein im klinischen Alltag taugliches Screening-Instrument entwickelt und in einer Pilotstudie mit 40 Diabetespatienten getestet werden. Übergeordnetes Ziel ist es, durch ein frühzeitiges Screening gezielt präventive Maßnahmen und Empfehlungen zur Prävention einleiten zu können, aber auch die Autonomie der Patienten im häuslichen Umfeld zu erhalten.
Die Durchführung des Projekts ist an der Geriatrischen Tagesklinik des Klinikums Nürnberg Nord geplant. Dort werden teilstationär über 65-jährige multimorbide Patienten behandelt, die selbstständig bzw. mit Unterstützung eigenständig in häuslicher Umgebung leben.
Im nächsten Schritt wollen die Initiatoren den Ethikantrag bei der Bayerischen Landesärztekammer einreichen und notwendige Messgeräte anschaffen. Das Projekt wird mit einem Preisgeld in Höhe von 12.500 EUR unterstützt.
Interview mit der Preisträgerin
Frau Prof. Dr. Singler, wie kam Ihnen die Idee, sich in einem Forschungsprojekt mit dem Sturzrisiko bei älteren Menschen mit Diabetes zu beschäftigen?
Seit 2015 leite ich als Oberärztin die geriatrische Tagesklinik an einem sehr großen Zentrum für Altersmedizin und Geriatrie. In dieser Tagesklinik betreuen wir tagsüber Patienten, die ansonsten aber noch zu Hause leben. Diese Patienten leiden an typischen geriatrischen Grunderkrankungen, aber auch an akuten Problemen, die zu einer Einweisung in diese Tagesklinik geführt haben. Sehr häufig sind das Sturzereignisse oder die Sorge des Hausarztes, dass die Personen in näherer Zukunft schwer stürzen könnten. Etwa 70 Prozent unserer Patienten hatten im letzten Jahr einen Sturz, bei dem sie sich teilweise auch etwas gebrochen haben, oder einen Beinahe-Sturz.
Ein weiterer großer Teil unserer Patienten kommt aufgrund von Gangstörungen oder Schwindel. Auch mit diesen beiden Symptomen geht ein hohes Sturzrisiko einher. Und dann kommt noch dazu, dass viele unserer Patienten an Diabetes erkrankt sind, was auf Dauer die Knochendichte vermindert und die Muskulatur schwächt. Ein zusätzliches Risiko ist die Diabetische Retinopathie, wodurch unsere Patienten schlechter sehen. Auch haben Diabetespatienten häufig Sarkopenie, also eine Beeinträchtigung der Muskelfunktion und der Muskelkraft. Die meisten unserer Patienten sind also Hochrisikopatienten für einen Sturz und ernsthafte Verletzungen.
Da das Ziel unserer Klinik ist, die Autonomie der Patienten im häuslichen Umfeld zu erhalten, z. B. durch Interventionen, Diagnostik, aber auch durch soziale Interaktionen und Anpassungen des häuslichen Umfelds, kam die Idee zur Studie auf.
Was möchten Sie mit der Studie erreichen?
Wir möchten Risikofaktoren für Stürze von multimorbiden älteren Patienten mit Diabetes, die in einem häuslichen Umfeld leben, herausarbeiten und hinsichtlich ihrer prädiktiven Aussagekraft bewerten. Auf dieser Grundlage wollen wir ein im klinischen Alltag taugliches Screening-Instrument entwickeln und dann in einer Pilotstudie mit 40 Diabetespatienten testen. Übergeordnetes Ziel ist es, durch ein frühzeitiges Screening gezielt präventive Maßnahmen und Empfehlungen zur Prävention einleiten zu können.
Wichtig ist uns dabei, dass das Screening-Instrument möglichst einfach und schnell anzuwenden ist, das erhöht die Akzeptanz und Durchführbarkeit im klinischen Alltag; zum anderen wollen wir möglichst viele Patienten testen. So ein Screening sollte meines Erachtens nicht länger als drei Minuten dauern.
Auch soll das Screening-Instrument möglichst viele Aspekte abdecken – denn in der Regel werden einzelne Aspekte isoliert betrachtet. Es wird also entweder untersucht, ob der Patient diabetische Polyneuropathie oder Sturzangst oder Depressionen hat, was ebenfalls ein Risikofaktor ist. Das würden wir gerne zusammenbringen, etwa in einem Fragebogen mit 10 bis 12 Punkten. So ließen sich gleich weitere diagnostische Schritte ableiten.
Das Ganze möchten wir auch mit einem Follow-up begleiten, sodass wir den Erfolg der Interventionen ablesen können.
Welche sind die nächsten Schritte?
Zurzeit testen wir, welche Instrumente überhaupt praktikabel sind und arbeiten dabei mit verschiedenen Berufsgruppen zusammen, wie Ärzten, Neuropsychologen, Pflegern, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Masseuren.
Im Anschluss setzen wir ein Studienprotokoll auf und stellen den für jede Studie notwendigen Ethik-Antrag. Wir möchten unsere Ideen an einer Pilotgruppe testen und weitere Risikofaktoren erfassen, etwa Komorbiditäten oder Risiko-Medikation. Dann erfassen wir Aspekte wie Mobilität, Kognition, Depression, Ernährungsstatus, Selbsthilfefähigkeit.
Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von Ihrem Forschungsprojekt, gerade für ältere Menschen mit Diabetes?
Ich erhoffe mir, dass wir ein Screening-Instrument entwickeln können, das bei älteren Diabetikern sehr einfach angewendet werden kann und mit dem man ein erhöhtes Sturzrisiko schon sehr früh erkennen kann, um entsprechende Maßnahmen auch früh einleiten zu können – und zwar individuell spezifische Maßnahmen.
Soll das Forschungsprojekt auch ausgeweitet werden?
Im Moment ist die Studie auf die geriatrische Tagesklinik in Nürnberg beschränkt, es soll künftig aber auch in andere Settings transferiert werden können, etwa im ambulanten Bereich.
Bei Erfolg lässt sich das Projekt vielleicht auf Bayern ausweiten. Hier gibt es einen Zusammenschluss der geriatrischen Tageskliniken, bei dem ich das Projekt schon einmal vorgestellt habe. Hierfür erheben wir zurzeit bayernweit Standards.
Was bedeutet Ihnen die SilverStar-Auszeichnung persönlich?
Die Auszeichnung hat mich natürlich gefreut. Der Preis ist ja in der Geriatrie auch sehr bekannt. Und ich finde es schön, dass sich die Berlin-Chemie AG schon so lange für ältere Menschen mit Diabetes engagiert. Und die Auszeichnung ist auch insofern etwas Besonderes, als dass es kein klassischer Preis der Geriatrie ist, sondern aus einer anderen „Fachrichtung“ kommt.
Wofür werden Sie das Preisgeld verwenden?
Das Preisgeld soll in die Studie einfließen. Wir werden es unter anderem für den Ethikantrag bei der Bayerischen Landesärztekammer verwenden, für die Kosten von Messgeräten, Literatur, Publikationen, statistische Beratung sowie die Präsentation der Ergebnisse auf einem internationalen Fachkongress. Auch möchten wir eine Study Nurse anstellen, da die Daten sehr genau und strukturiert erhoben werden müssen. Das ist sehr zeitaufwendig und das kann niemand von uns nebenher leisten.
Ansprechpartnerin Projekt
Prof. Dr. med. Katrin Singler
E-Mail: Katrin.Singler@klinikum-nuernberg.de